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17Mär2007

City : Göttingen
Venue : Aula am Wilhelmsplatz
Address : Wilhelmsplatz 1


Programm

Heinrich Schöffel (*1931)

Patchwork-Musik im Fünftonbereich
(Uraufführung)

Leitung: Lothar Steinert


Pierre Rode (1774 – 1830)

Konzert für Violine Nr. 7 a-moll op. 9

Moderato
Adagio
Rondo

Solistin: Amelie Zintarra, Violine
Leitung: Lothar Steinert


Julius Otto Grimm (1827 – 1903)

Sinfonie d-moll op. 19
Sostenuto – Allegro
Trauermarsch – Andante
Scherzo – Presto
Finale – Allegro vivace

Leitung: Christian Kirscht


Klaus Badelt (*1968)
arr. Ted Ricketts

Medley aus: „Pirates Of The Caribbean“ („Fluch der Karibik“)

Leitung: Lothar Steinert


Die “Patchwork-Musik” ist aus 48 Teilen “zusammengesetzt”, ähnlich einem Flickenteppich. Die einzelnen Teile haben eine Länge von zwei bis 59 Takten. “Im Fünftonraum” deutet darauf hin, dass nur die Töne der Pentatonik (c, d, f, g, a) erklingen, allerdings durch mehrere Oktaven hindurch. Der zweitaktige Anfang mit dem d-Moll-/ F-Dur-Akkord wird innerhalb der Partitur noch 20mal gespielt, doch harmonisch (durch Beifügung von akkordfremden Tönen), rhythmisch und in der Instrumentierung ständig variiert, im Sinne eines Ritornells. Im Fünfton-System kann man zwei herkömmliche Akkorde bilden: d-Moll und F-Dur. Eine etwas schmale Basis für eine harmonische Entwicklung.Um eine gewisse Eintönigkeit zu vermeiden, wurden auch andere Klänge herangezogen: Intervalle (Terzen, Quarten, Quinten/ Bordun), Mixturen (gemischte Intervalle), Cluster (übereinander geschichtete Intervalle), Orgelpunkt (Halteton), ostinate Modelle (immer wiederkehrende Klangfolgen). Man kann unterschiedliche musikalische Formen hören: u.a. Fanfaren, Melodisch-Tänzerisches, Märsche, Thema mit vier Variationen, einen dreistimmigen Doppelkanon, einen südamerikanisch angehauchten Rhythmus. Einige Solopassagen (Querflöte, Oboe, Geige, Pauken) unterbrechen die Orchesterabschnitte. Auch eine Orchester-Improvisation ist vorgesehen. In der neuzeitlichen Musik ist das harmonische Element verpönt. Ich habe keine Skrupel den wohlklingenden F-Dur-Akkord in allen möglichen Variationen oder Terzparallelen zu verwenden. Unser Leben besteht aus harmonischen und dissonanten Abschnitten und deshalb erscheint mir der Wechsel harmolisch/dissonant ein gutes Abbild unseres Lebens zu sein. Unüberhörbar sind die zahlreichen Schlaginstrumente. Sie geben an ganz bestimmten Stellen effektvolle rhythmische Akzente.

Pierre Rode, ein zu Lebzeiten europaweit angesehener Violinist und Komponist, schrieb u.a. 13 Violinkonzerte, die, wie alle seine Werke, höchst selten aufgeführt werden. Zur Einstudierung seines Violinkonzerts Nr. 7, a-moll, war noch nicht einmal eine Partitur verfügbar, lediglich ein Klavierauszug!
Dennoch ist das Konzert nicht von minderer Qualität: Rode beweist eine insgesamt solide kompositorische Arbeit. Wenn auch der Solovioline eine etwas einseitige Dominanz zugeschrieben wird, bietet das Konzert schöne Themenbildungen und markante Tutti-Passagen.

Julius Otto Grimms einzige Sinfonie wurde fast auf den Monat genau vor 150 Jahren, am 18.02.1857, hier in Göttingen aufgeführt. Sie ist Richard Barth gewidmet, Schüler von Joseph Joachim und lange Zeit Konzertmeister unter Grimm in Münster. Durch eine Verletzung an der linken Hand gehörte Barth zu den wenigen „Linksgeigern“.
Grimm nimmt eine nicht unbedeutende Rolle in der Musikgeschichte ein: er gehört neben Brahms u.a. zu den Unterzeichnern des Manifests gegen die „Neudeutschen“ 1860. Durch seine Freundschaft mit Brahms, Clara und Robert Schumann, Joseph Joachim war er sozusagen am Puls der damaligen Zeit. 1827 in Pernau, Estland, geboren, zunächst Studium der Philosophie und Philologie an der Universität in Dorpat, welches er mit dem Oberlehrerexamen mit 21 (!) Jahren abschloss, dann drei Jahre Hauslehrer in St. Petersburg, 1851 Musikstudium in Leipzig, nach Wanderjahren in Hannover und Düsseldorf, ließ Grimm sich 1855 in Göttingen nieder. Nach Berufung Wehners nach Hannover wurde hier die Stelle des Universitäts-musikdirektors frei, und Grimm hatte berechtigte Hoffnung, diese Stelle zu erhalten. Nachdem nun diese Stelle von Eduard Hille besetzt wurde, zerschlugen sich seine Hoffnungen. Grimm unterrichtete als Klavierlehrer viele Schüler u.a. Agathe von Siebold, die Geliebte von Brahms, und Philippine Ritmüller, Tochter des Klavierfabrikanten („eine Klavierschülerin mit reizendem Anschlage“), gründete einen gemischten Chorverein, sowie ein Orchester, mit dem er zahlreiche Aufführungen machte: so z.B. Beethoven`sche Sinfonien, das Weihnachtsoratorium von Bach, mit Philipp Spitta, damahls stud.phil., an der Orgel. 1856 heiraten Philippine Ritmüller und Julius Otto Grimm. Johannes Brahms und Agathe von Siebold wurden später Paten ihrer Kinder. 1860 verließ Grimm Göttingen, um die ihm angebotene Dirigentenstelle des Musikvereins in Münster anzutreten. Als Abschiedsgeschenk erhielt der sehr geschätzte Dirigent vom Chorverein einen Dirigentenstab aus Gold und Elfenbein.
Charakteristisch für den 1. Satz ist der Rhythmus (Triole und Duole). Schon in der langsamen Einleitung vorweg genommen ist er für das 1. Thema substanziell. Das 1. Thema war offensichtlich so einprägsam, dass F. Gernsheim, ein Studienkamerad aus Leipziger Zeit, bei einer zufälligen Begegnung mit einem Schüler Grimms, Dr. Preising, das Kopfmotiv des Themas nach 58 Jahren diesem aus dem Gedächtnis vorsang. Das 2. Thema ist eher lyrisch gehalten und als Dialog zwischen den Holzbläsern konzipiert. Es tritt in der Reprise, abweichend von der Norm, in Dur auf. Die Schlussgruppe wird von einem fast heroisch anmutenden neuen Gedanken beherrscht. In der sich anschließenden Durchführung verarbeitet Grimm 1. und 2. Thema. Auffallend sind hier die lang angelegten Crescendi. Durch die Augmentation des oben genannten Rhythmus aus dem 1. Thema erhält die Coda eine starke Schlusswirkung.
Der 2. Satz, mit Trauermarsch überschrieben, ist im Charakter nicht tragisch, sondern eher freundlich und trostreich voran gehend. Auch hier spielen die Triolen im Wechsel mit Duolen eine zentrale Rolle, womit Grimm den Bezug zum 1. Satz herstellt. Das Trio steht in Des-Dur (!), beginnend zunächst in den Streichern mit Dämpfern. Der lyrische, verhaltene Charakter wird nur durch einen pochenden Rhythmus der Kontrabässe gestört. Dieser Rhythmus wird zunächst von Pauken und Trompeten modifiziert und dann von den Bratschen fortgeführt. Am Schluss wird der Anfangsteil reprisenartig wiederholt. Eine wichtige Rolle kommt in diesem Satz der Pauke zu, die fast solistische Aufgaben übernimmt.
Findet ein Wechselspiel in den ersten Sätzen zwischen Triolen und Duolen statt, so wird im 3. Satz dieses Prinzip weiter geführt, indem der ¾-Takt stellenweise hemiolisch aufgegliedert wird, so dass die Betonung zwischen 2-er und 3-er Metrum hin und her pendelt. Das Trio in B-Dur verzichtet völlig auf dieses metrische Spiel und ist kantabel und lyrisch gehalten.
Von dem 4. Satz existiert noch eine frühere handschriftliche Fassung in der Sonatensatzform, die von Grimm zugunsten der hier gespielten Fassung in der Sonatenrondoform verworfen wurde. Der Satz steht in D-Dur. Das Rondothema besteht aus durchgängigen, dominantisch gefärbten 16-tel-Läufen in der 1. Violine. Durch die ständige Auf- und Abwärtsbewegung könnte man fast meinen, ein Schwindel erregendes musikalisches Karussell vor sich zu haben. Das 2. Thema in den dialogisierenden Holzbläsern ist im Gegensatz zum 1. Thema ruhig und weich angelegt, obwohl die Triolen in der Bratsche für Unruhe sorgen. Das schon bekannte Wechselspiel zwischen Triole und Duole wird auch in diesem Satz wieder aufgegriffen, indem nach dem Erklingen des 2. Themas in den Violinen die Holzbläser Duolen und die Streicher Triolen gleichzeitig spielen. Dieses 2 gegen 3 begegnet uns auch im weiteren Verlauf des Satzes. Nach einem weiteren Gedanken, man könnte ihn fast 3. Thema nennen, das von seiner rhythmisch markanten Struktur ein wenig an den 3. Satz erinnert, ertönt im Durchführungsteil ein fast hymnisch zu bezeichnendes Motiv im Fortissimo, unterbrochen von 16-tel-Kaskaden der 1. Violine. Nachdem in der Reprise alle drei Themen in der Tonika wiederholt werden, treten sie in der abschließenden Coda noch einmal bruchstückhaft auf.

Die Filmmusik zum „Fluch der Karibik“ von Klaus Badelt ist ausgesprochen wirkungsvoll komponiert. Emotionsgeladene oder dramatische Szenen dieses Piratenfilms werden geschickt musikalisch verstärkt. Besonders überzeugend gelingen die motorisch orientierten Abschnitte: Auf traditionellen afrikanischen Wurzeln basierend, werden hier die vielfältigen polyrhythmischen und polymetrischen Möglichkeiten des 12/8 – Taktes effektvoll genutzt. Das vorliegende Medley mit den Highlights der Filmmusik ist hervorragend von Ted Ricketts arrangiert worden.


Heinrich Schöffel, Jahrgang 1931, war zunächst im Jugend- und Posaunenchor seiner Kirchengemeinde in Ludwigsburg aktiv. Neben der Diakonenausbildung setzte er seinen Unterricht in Klavier und Harmonielehre fort und war 1957/58 Jahrgangschorleiter. Jugendarbeit in der badischen und pfälzischen Landeskirche (Singtreffen, Singfreizeiten) folgten und 1964 war H.Schöffel Dozent mit Schwerpunkt Musik an der Diakonenschule Ludwigsburg. In dieser Zeit entstanden mehrere Schallplattenaufnahmen. 1969 wurde er Diakon an der Thomas-, dann an der Kreuzkirchengemeinde in Göttingen und leitete den Frauensingkreis, die Jugendinstrumentalgruppen und den Kammermusikkreis. 1994 trat H.Schöffel in den Ruhestand. Die „Patchwork-Musik im Fünftonraum“ entstand 2004/05.

Amelie Zintarra wurde 1987 in Göttingen geboren. Ihren ersten Violin-unterricht erhielt sie im Alter von 6 Jahren bei Ulla Schimpf. Seit März 2004 ist sie Schülerin von Sonja-Maria Marks in Hannover. Sie ist mehrfache Preisträgerin des Wettbewerbs „Jugend musiziert“, an dem sie seit 1998 teilnimmt.
Im JSO spielt Amelie seit dem Jahr 2000. In diesem Jahr wird sie ihr Abitur am Theodor-Heuss-Gymnasium ablegen.


Mitglieder des Jugend – Sinfonie – Orchesters:

Flöte: Friederike Foth-Rosenhagen, Henrik Plünnecke, Leonie Zintarra; Oboe: Wolfgang Glatzel (a.G.), Christoph Viebahn (a.G.); Klarinette: Felix Bähr, Teresa Klausgrete, Johannes Knuth; Fagott: Anika Joncyk, Julika Trümper; Horn: Janis Becker, Max Feuerhake, Jacob Glatzel, Titus Stampa; Trompete: Sebastian Bause, Markus Schwenk; Posaune: Simon Aschermann, Fabian Haller (ehem.) Matthias Wagemann; Pauke: Alexander Schnor; Schlagwerk: Simon Aschermann, Teresa Klausgrete, Fabian Klaws, Lea König, Lara Krüger, Friederike Merkel, Johannes Pardowitz, Titus Stampa; Violine: Magdalena Albrecht, Mira Bittner, Kevin Dätz, Laura Fabritz, Lisa Gödecke, Stephanie Gradstein-Serna, Mariana Hippe, Paula Kind, Pauline Möhring, Young-Og Nam, Johannes Pardowitz, Anna Radke, Aaron Saalmann, David-Immanuel Sander, Nikolas Schwenk, Nina Stamer, Johanna Stumpner, Frances Tiffin-Richards, Sophia Weiß, Amelie Zintarra; Viola: Carolin Kirscht, Elias Könsgen, Jakob v. Nostitz, Konrad Viebahn, Violoncello: Katja Fabritz (ehem.), Anja Ketels, Johannes Mixdorf, Sarah Müller, Christian Nayda, Philipp Sinapius; Kontrabass: Anne-Kathrin Lange, Maria Soltesz (a.G.)

Wir danken allen Instrumentallehrerinnen und – lehrern, die unsere Arbeit durch Erarbeitung der Instrumentalstimmen im Unterricht und durch Betreuung der Solisten unterstützt haben.

Das nächste Probespiel findet am Dienstag, den 20. März 2007, statt. Wir bitten um telefonische Anmeldung unter 0551/45892 oder info@jso-goettingen.de.
Ausführliche Informationen über das Jugend-Sinfonie-Orchester findet man im Internet unter: www.jso-goettingen.de